So stärkst du die Sinne deines Kindes schon vor der 1. Klasse
Manche Kinder starten voller Vorfreude in die Schule und stolpern dann schon in den ersten Monaten über Hürden oder sogar Berge.
Lesen klappt nicht so richtig, beim Schreiben fehlen Buchstaben, und beim Rechnen rutscht ständig das Ergebnis daneben.
Oft liegt das nicht an mangelnder Intelligenz oder fehlender Motivation, sondern an etwas viel Grundlegenderem: den sogenannten Vorläuferfertigkeiten. Diese Fähigkeiten entwickeln sich vor allem im Kindergarten- und Vorschulalter.
In diesem Artikel erfährst du:
- welche Voraussetzungen Kinder brauchen, um sicher lesen, schreiben und rechnen zu können,
- was die Sinneswahrnehmung damit zu tun hat,
- und wie du als Elternteil diese Bereiche spielerisch und alltagsnah fördern kannst, ganz ohne Druck, aber mit viel Spaß.
Warum tun sich manche Kinder schon in der 1. Klasse schwer?
Der Eintritt in die Schule ist für Kinder ein riesiger Schritt, emotional und inhaltlich.
Im Kindergarten oder in der Vorschule war alles noch spielerisch, behütet und gemütlich. In der Grundschule ist plötzlich vieles anders und vor allem neu:
- mehr und andere Aufgaben,
- feste Abläufe,
- lange Konzentrationsphasen,
- weniger Bewegungspausen,
- neue Kinder, neue Konflikte und neue soziale Regeln.
Um diese Veränderungen gut zu meistern, braucht es eine gewisse Schulreife. Doch was genau bedeutet Schulreife? Und lässt sich das überhaupt in einer Schuluntersuchung vollständig feststellen?
Merkmale der Schulreife
Zur Schulreife gehören unter anderem:
- körperliche Reife und eine gute Feinmotorik,
- Ausdauer, um Aufgaben bewusst und geduldig auszuführen und zu beenden,
- die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit gezielt zu lenken,
- bewusste Beobachtung der Umwelt und differenziertes Wahrnehmen,
- Verständnis für Zeichen und Symbole sowie deren Beziehungen,
- das Einhalten von Regeln und Akzeptieren von Anforderungen,
- und die Fähigkeit, in einer größeren Gemeinschaft nicht überfordert zu sein.
Schulreife hängt also nicht nur von der Intelligenz ab, sondern ebenso vom sozialen Entwicklungsstand und der Persönlichkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein in gelungener Schulstart gelingt leichter, wenn möglichst viele dieser Voraussetzungen erfüllt sind und das Kind von Anfang an Erfolgserlebnisse hat.
Leider habe ich schon oft erlebt, dass Kinder zu früh eingeschult werden. Häufig wird dann die gute kognitive Entwicklung als Begründung genannt. Dabei bedeutet Schule viel mehr als nur kognitiv fit zu sein, sie erfordert eine gut ausgeprägte Konzentrationsspanne, Frustrationstoleranz im Umgang mit Konflikten oder schwierigen Aufgaben und soziale Kompetenzen, um Beziehungen in der Klasse positiv zu gestalten.
Was Schulreife mit Sinneswahrnehmung zu tun hat
Viele der oben genannten Fähigkeiten hängen eng mit einer gut funktionierenden Wahrnehmung zusammen.
Wahrnehmung bedeutet: Reize aufnehmen, weiterleiten und verarbeiten. Das geschieht über unsere Sinne. Zuerst nehmen sie Eindrücke auf, leiten sie ans Gehirn weiter, wo sie „übersetzt“ und eingeordnet werden. Nur wenn diese Informationen geordnet ankommen, können wir sie verstehen und angemessen reagieren.
Eine gezielte Förderung der Sinne schärft diese bewusste Wahrnehmung und bildet damit die Grundlage für schulische Fähigkeiten. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für Denkprozesse und effektives Lernen.
Natürlich muss man unterscheiden, ob die Wahrnehmung durch eine Erkrankung beeinträchtigt ist, dann sind medizinische Abklärung und passende Fördermaßnahmen wichtig.
Folgende Sinneswahrnehmungen sind besonders für schulische Aufgaben und Kompetenzen notwendig:
- Hörsinn, auditive Wahrnehmung: Laute unterscheiden (hart/weich, lang/kurz), phonologische Bewusstheit entwickeln, Silben und Reime erkennen, Wörter und Sätze merken, Entfernungen einschätzen.
- Sehsinn, visuelle Wahrnehmung: Buchstaben und Symbole unterscheiden (auch ähnliche wie b/d oder 6/9), Wortbilder merken, Lesefähigkeit entwickeln.
- Tastsinn, Körperwahrnehmung, Koordination: Größen und Abstände einschätzen, Stifthaltung und Druck regulieren, Buchstaben sauber schreiben, Linienführung, Mengenerfassung.
Gut entwickelte Sinneswahrnehmungen sind wie eine stabile Brücke zwischen Außenwelt und Gehirn und damit eine solide Basis für Freude und Erfolg in der Schule.
Welche Sinne sind fürs Lesen, Schreiben und Rechnen besonders wichtig?
Lesen – Augen, Ohren und ein bisschen Körpergefühl
Beim Lesen spielt vor allem die visuelle Wahrnehmung eine große Rolle. Kinder müssen Buchstaben genau unterscheiden können, vor allem die, die sich optisch ähnlich sind, wie „b“ und „d“ oder „p“ und „q“.
Damit ein Wort richtig erkannt wird, müssen die Laute zudem in der korrekten Reihenfolge erfasst werden. Fachlich nennt man das optische Serialität: Die Augen nehmen die Buchstaben nacheinander auf, genau so, wie sie im Wort stehen, und setzen sie zu einem Sinnzusammenhang zusammen.
Außerdem ist es wichtig, dass die Augenbewegung gleichmäßig und kontrolliert von links nach rechts verläuft, ohne zwischen Wörtern oder Zeilen hin- und herzuspringen.
Woran du das als Elternteil erkennen kannst:
Wenn das Lesen undeutlich klingt, Laute ausgelassen werden oder Kinder „raten“, was wohl passen könnte, weil sie das Geschriebene nicht genau wahrnehmen. Dann lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die visuelle Wahrnehmung zu werfen. Das Gute daran ist, dass man diese spielerisch und mit viel Freude trainieren kann.
Schreiben – Fingerspitzengefühl und ein gutes Auge
Beim Schreiben laufen viele Fähigkeiten zusammen: Die Raumwahrnehmung sorgt dafür, dass Buchstaben in der richtigen Größe und Position auf der Linie landen. Dafür müssen Augen und Hand perfekt zusammenarbeiten, was man als Augen-Hand-Koordination bezeichnet. Auch die optische Wahrnehmung spielt dabei eine entscheidende Rolle:
- Die optische Serialität sorgt dafür, dass Buchstaben in der richtigen Reihenfolge geschrieben werden.
- Die optische Merkfähigkeit hilft dabei, Wörter als Ganzes zu erfassen und später korrekt aufzuschreiben.
Doch ohne auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit funktioniert es nicht reibungslos. Kinder müssen die Laute im Wort hören und unterscheiden können, um sie richtig aufzuschreiben. Dazu gehört auch, den Unterschied zwischen weichen und harten Konsonanten zu erkennen (zum Beispiel bei der Auslautverhärtung).
Und natürlich braucht es eine gute Feinmotorik, damit die Schrift sauber und klar wird.
Woran du merken kannst, dass die Sinne noch mehr Übung brauchen:
Wenn Buchstaben oder Laute ausgelassen werden, ähnlich klingende Laute oder Buchstaben verwechselt werden oder Vokale fehlen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die phonologische Bewusstheit und auditive Differenzierung. Auch diese Bereiche lassen sich spielerisch fördern und stärken.
Rechnen – Raum-Lage-Wahrnehmung, Reihenfolgen und Muster
Rechnen heißt nicht nur zählen und Plus- und Minusrechnen. Vielmehr braucht es eine gute Grundlage, auf der alles andere aufbauen kann:
- Raumorientierung und Raum-Lage-Wahrnehmung:
Kinder sollten wissen, wo rechts und links ist, was oben und unten bedeutet, und Abstände sowie Größen gut einschätzen können. Das hilft nicht nur im Geometrieunterricht, sondern auch bei einfachen Dingen wie der Reihenfolge von Zahlen. - Reihenfolgen und Ordnungen erkennen:
Mathematik lebt von festen Reihenfolgen – Wochentage, Monate, Jahreszeiten oder Uhrzeiten sind gute Beispiele. Auch das Zählen basiert darauf. Deshalb müssen Kinder lernen, Muster zu erkennen, weiterzuführen und Dinge nach bestimmten Kriterien (Größe, Farbe, Form) zu sortieren. - Körperkoordination und Körperschema:
Wer seinen Körper gut wahrnimmt, kann Richtungen, Positionen und Bewegungsabläufe besser einordnen, das erleichtert nicht nur den Sportunterricht, sondern auch das räumliche Denken in Mathe. - Mengenverständnis:
Bevor Kinder Rechenoperationen verstehen, müssen sie Mengen vergleichen, zuordnen und „auf einen Blick“ erfassen können: Was ist mehr, was ist weniger? Hier entsteht die wichtige Brücke zwischen Zählen und Rechnen.
Typische Auffälligkeiten, auf die du achten kannst:
Wenn Kinder häufig rechts und links verwechseln, Schwierigkeiten haben, Abstände oder Größen einzuschätzen oder Probleme mit Reihenfolgen wie Wochentagen oder Zahlenreihen zeigen, dann ist das ein wichtiger Hinweis. Ebenso, wenn Mengen nur durch Zählen erfasst werden, aber nicht „auf einen Blick“ erkannt werden, oder Muster und Ordnungen nicht erkannt oder nicht weitergeführt werden können.
In solchen Fällen lohnt es sich, die grundlegenden Fähigkeiten genauer zu prüfen. Häufig liegt die Ursache nämlich nicht an mangelnder Intelligenz oder zu wenig Übung, sondern daran, dass diese Basisfähigkeiten noch nicht sicher entwickelt sind.
Warum das Vorschulalter so entscheidend ist
Die ersten sechs Lebensjahre sind eine Schlüsselphase. Eine anregende Umgebung mit vielen Möglichkeiten zum Entdecken, Ausprobieren und spielerischen Lernen schafft die besten Voraussetzungen für späteren Schulerfolg und reduziert das Risiko von Lernfrust.
Biete deinem Kind möglichst viele spielerische Lerngelegenheiten ohne Leistungsdruck.
Schon vor der Einschulung (und auch in Klasse 1 und 2) kannst du gezielt Sinneswahrnehmung fördern und das auch ohne Arbeitsblätter.
Übungen zur Sinneswahrnehmung – spielerisch im Alltag trainieren
Hier findest du eine bunte Sammlung einfacher Spiele und Übungen, die du schon vor Schulbeginn, aber auch in der 1. und 2. Klasse immer wieder einbauen kannst.
Sie schulen wichtige Wahrnehmungsbereiche fürs Lesen, Schreiben und Rechnen und das ohne großen Aufwand.
Wichtig: Passe den Schwierigkeitsgrad immer an dein Kind an, damit es Erfolgserlebnisse hat und motiviert bleibt.
1. Körperschema & Rechts-Links-Orientierung
- Rechts- oder Linkstag
Klebe deinem Kind z. B. auf die rechte Hand und den rechten Schuh einen Sticker. An diesem Tag stellst du Aufgaben wie: „Hebe deine rechte Hand!“, „Dreh dich nach rechts!“, „Hüpfe fünf Schritte nach rechts!“. Am nächsten Tag ist die linke Seite dran. - Synchronmalen
Zeichne eine Mittellinie auf Papier oder Boden. Dein Kind malt gleichzeitig mit rechter und linker Hand dieselbe Figur auf beiden Seiten. Tipp: Für den Einstieg einfache Vorlagen (Zickzack, Sonne, Wellen) verwenden. - Zeichnen mit verbundenen Augen
Augen verbinden, eine Figur (Haus, Sonne, Buchstabe, Zahl) mit dem Zeigefinger des Kindes auf den Tisch „malen“ und das Kind erraten lassen. - Überkreuzbewegungen
Rechte Hand zum linken Knie, linke Hand zum rechten Knie (30× wiederholen). Variation: Überkreuz zur Ferse greifen.
2. Hörsinn & auditive Wahrnehmung
- Hör-Memory
Zwei identische Behälter (Filmdosen, Überraschungseier) mit gleichen Materialien füllen (Reis, Sand, Linsen, Erbsen) und die Paare durch Schütteln finden. - Ich packe meinen Koffer
In verschiedenen Varianten: beliebige Dinge, nur Tiere, nur Schulsachen, nur Backzutaten etc. - Stille Post
Eine Person flüstert ein Wort, eine Wortgruppe oder einen Satz ins Ohr. Am Ende wird verglichen, was angekommen ist. - Satzkette
Abwechselnd Wörter sagen, bis ein sinnvoller Satz entsteht: „Das … Kind … spielt … im … Sand …“ - Wortkette (letzter Laut)
Mit dem letzten Laut eines Wortes ein neues bilden: „Elefant – Tisch – Schuhe – Esel …“ - Wortschlange (zusammengesetzte Substantive)
Aus dem zweiten Teil des Wortes ein neues bilden: „Spielkarte – Kartenhaus – Hausschuhe – Schuhanzieher …“ - Gegenteilspiel
Adjektive und passende Gegenteile finden: „heiß – kalt“, „laut – leise“, „klein – groß“ …
3. Sehsinn & optische Wahrnehmung
- Ich sehe was, was du nicht siehst
Entweder frei oder z. B. nur mit Farben oder Formen. - Figuren nachbauen
Mit Bauklötzen, Lego oder Steckwürfeln eine Figur bauen, Kind baut nach. Variation: Nur kurz zeigen und dann aus dem Gedächtnis nachbauen oder Figur ertasten lassen. - Optische Serialität – Gegenstände merken
Drei Gegenstände in der unmittelbaren Umgebung zeigen (und evtl. benennen), das Kind nennt sie in der richtigen Reihenfolge. Variante: Mit Sandförmchen im Sandkasten. - Memory
Ein Klassiker, fertig kaufen oder selbst gestalten. - Figuren merken & nachzeichnen
Zwei oder drei Symbole zeichnen, Kind schaut sie an, sie werden abgedeckt, Kind zeichnet sie aus dem Gedächtnis.
4. Taktile Wahrnehmung & Feinmotorik
- Fühlspiel
Gegenstände unter einem Tuch ertasten und erraten. - Fühl-Memory
Mehrere Gegenstände ertasten, dann einen entfernen. Das Kind rät, welcher fehlt. - Perlen auffädeln
Trainiert den Pinzettengriff, evtl. Muster vorgeben, die das Kind fortsetzt. - Mikado
Fördert Feinmotorik und Konzentration.
5. Koordination & Gleichgewicht
- Ballspiele
Ball von rechts nach links werfen, Höhe variieren. Wenn sicher, mit zwei Bällen bis hin zum Jonglieren steigern. - Bewegungsspiele mit Überkreuzung
Alles, was die Körpermittellinie überkreuzt (siehe Überkreuzübungen oben), stärkt Koordination und Gehirnvernetzung.
Mein Tipp: Die Übungen müssen nicht „extra“ stattfinden. Viele lassen sich nebenbei im Alltag spielen, im Auto, beim Spazierengehen, beim Kochen oder im Wartezimmer. Denn wenn dein Kind Spaß hat, wird’s doppelt so effektiv.
Ich hoffe, diese Tipps und Übungen helfen dir und deinem Kind, die ersten Schuljahre spielerisch und entspannt zu meistern. Wenn du das Gefühl hast, dein Kind braucht noch mehr Unterstützung oder du möchtest wissen, wie genau du es fördern kannst, dann lass uns gern sprechen!
In einem kostenfreien und unverbindlichen Kennenlerngespräch schauen wir gemeinsam, wo dein Kind gerade steht und wie du es am besten begleiten kannst, ganz individuell und ohne Druck.
Hier kannst du dir deinen Termin buchen
Ich freue mich auf dich und dein Kind!

